HUMBEL KOMMUNIKATION & ART

Nr. 3: Wie kommen junge Menschen zu Kapital?

Die horrenden Preise von Eigentumswohnungen und Einfamilienhäusern könnten junge Leute entmutigen. Wie sollen sie zu Geld für eine Anzahlung kommen? Oder gleich den 60% der Schweizer Bevölkerung ewig Mieter bleiben? Kürzlich hörte ich zwei Teenies im Zug über ihre monatlichen Handy-Kosten klagen, der eine 120, die andere 195 Franken. Da habe ich als Geschäftsmann, der für das Prepaid-Handy, mit dem ich nur telefonieren und SMS versenden kann, vor mich hin gelächelt. Weil ich es einzig im Familienkreis verwende oder die Nummer nur Gesprächspartnern bei Auswärtsterminen bekanntgebe, damit sie mich im Verhinderungsfall kurzfristig informieren können,  komme ich auf weniger als 60 Franken – im Jahr. Diesen Luxus nicht pausenloser Erreichbarkeit bin ich nur dann zu überdenken bereit, falls dank Kommunikationstechnologie mindestens eine Viertelmillion im Jahr zu verdienen wäre.

Zugegeben, ich habe eine gewisse Skepsis gegenüber Abhängigkeiten, insbesondere von technischen Produkten. Auch deswegen habe ich nie autofahren gelernt und erst im 60. Altersjahr meinen ersten Wagen gekauft, als ich mit meiner Familie in der ostfranzösischen Provinz 12 Kilometer vom nächsten Bahnhof entfernt in einer 200-jährigen Mühle mit über einer Hektare Umschwung lebte. Nach acht Jahren begannen uns die Taxispesen und die Fahrten mit der Klapperkiste unserer Putzfrau ins nächste Einkaufszentrum zu missfallen. (In unserem 500-Seelen-Dorf mit weitem Einzugsgebiet gab es keinen Lebensmittelladen, irgendwie seltsam in einem Land mit chronischer 10-Prozent-Arbeitslosigkeit.) Meine Frau hatte bereits 17 Jahre meine Autolosigkeit geteilt und reaktivierte nun ihre Fahrkünste.

Eine noch höhere Motivation als Umweltgründe und Technophobie war mein Ziel der finanziellen Unabhängigkeit. Wer schon als Junger einsieht, dass er keine spezielle Begabung zu hohem Gelderwerb und keine Erbschaft in Aussicht hat, kommt nicht anders als durch Sparen zu Geld. Der Verzicht auf den eigenen Wagen könnte in zehn Jahren zu einem Vermögen von 100‘000 Franken führen. Verhält sich der künftige Ehepartner gleich, würde es mit 30 für einen Immobilienkauf und/oder ein eigenes Geschäft reichen. Mitentscheidend ist freilich die Wahl des Wohn- und Arbeitsortes, und da hatte ich gut reden mit einem jahrzehntelangen Leben eine Tramviertelstunde vom Zentrum Zürichs entfernt.

Allerdings erlebte ich, dass schon ein kleines Vermögen sich auch nachteilig auswirken kann. Gedrängt von Studienkollegen („Meinst Du, ich könnte mir mein Auto leisten, wenn ich keine Stipendien hätte?“), erbat ich mir 1964 vom Staat zum ersten- und letzten Mal Unterstützung. Dem Stipendienberater lag meine Steuererklärung vor mit einem Vermögen von 10‘000 Franken, was zu viel sei. Bei meiner erregten Erwiderung, ich würde also ein Stipendium erhalten, wenn ich mein Kapital in ein Auto oder eine Weltreise „investiert“ hätte, mag er gedacht haben: „Die Studenten werden auch immer frecher!“ Aber der gerissene Hund von Professor packte mich beim Ehrgefühl: „Mit Ihrem Sparsinn wollten Sie sich selber helfen. Brauchen Sie nun das Geld, nachher helfen w i r Ihnen.“

Für den Staat rentierte sich diese Verweigerung in keiner Weise. Als Primarlehrer-Vikar und später als Geschichtslehrer an der AKAD verdiente ich mein Studium selber, das sich deshalb in die Länge zog und verspätet zu einem steuerwirksamen Einkommen verhalf. Die finanziell mageren langen Studienjahre „verfolgten“ mich bis ins Rentenalter: gut 80 Franken monatlich unter der maximalen AHV. Es waren dann natürlich andere Gründe, nunmehr neun Jahre über das Rentenalter hinaus voll berufstätig zu bleiben.