HUMBEL KOMMUNIKATION & ART

Nr. 14: Auswandern nach Frankreich

Nicht allein die Immobilienpreisentwicklung in der Deutschschweiz Ende der 80er Jahre beeinflusste unseren Entscheid, das nächste Domizil in Frankreich zu suchen. Unsere Kinder waren damals acht und fünf Jahre alt, also noch in einer Phase, sich rasch eine neue Sprache anzueignen. Dies sollte sich überraschend schnell bestätigen. Ich selbst musste nach acht Jahren Französischunterricht erfahren, wie gering der Nutzen vor allem im mündlichen Ausdruck war. Meine Frau dagegen hatte in nur einem halben Jahr als Kinderbetreuerin in Rom ein wirklich passables Italienisch erworben, das uns im Tessin zustatten kam.

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Im Frühling 1989 elektrisierte uns ein Inserat in der NZZ mit der Abbildung eines Schlosses in der Franche-Comté: 23 Zimmer auf einem Grundstück von 1,5 Hektaren zu 1,5 Millionen Franken. 1,5 Hektaren – wie viel ist das überhaupt, fragen sich Schweizer Eigenheimbesitzer, deren Haus auf einigen hundert Quadratmetern Umschwung steht. Eine Hektare umfasst 10‘000 Quadratmeter. 100 Hektaren entsprechen einem Quadratkilometer, also 1 Million Quadratmetern.

Wir wussten schon vor der Lektüre der uns zugestellten Dokumentation, dass eine solche Schlossliegenschaft selbst zum halben Preis der Unterhaltskosten wegen nicht infrage gekommen wäre. Wir haben später Schweizer Auswanderer kennengelernt, welche in ihren Besitzungen von Bed-und-Breakfast bis zum vollen Hotelbetrieb alles angeboten haben und sehr hart arbeiteten. Schon damals existierte die Monatszeitschrift „Demeures&Châteaux“, die wir heute noch kaufen (in Frankreich 10 Euro, bei uns 19 Franken, d.h. 50% teurer), um Träumen nachzuhängen.

Aus den Unterlagen des Schlossbesitzers ging hervor, dass er um steuerlicher Vorteile willen Führungen mit Touristen veranstalten musste – bereits eine Warnung. Ausserdem befindet sich das historische Gemäuer zwar unweit der Schweizer Grenze, jedoch im „Niemandsland“ jenseits des Juras ohne gute öffentliche Verkehrsanbindung. Darauf war ich als Nichtautofahrer, der wöchentlich zur Arbeit nach Zürich fuhr, zwingend angewiesen.

Ein Schloss zum Preis eines besseren Zürcher Einfamilienhauses hatte uns auf den Geschmack gebracht. Wir liessen uns über einen Schweizer Vermittler eine Dokumentation mit einer Reihe von Objekten aus der Franche-Comté und dem Elsass zusenden und wählten vier davon in der Gegend um Belfort zur Besichtigung aus. Zuvor besuchte uns der Schweizer Anbieter mit seiner Frau im Tessin. Wir gewannen einen guten Eindruck, der nicht täuschen sollte. Die gesamte Abwicklung verlief absolut korrekt, ja freundschaftlich.  Wenige Jahre später ereilte auch diesen seriösen Geschäftsmann die Immobilienkrise. Sein Mehrfamilienhaus in der Stadt Zürich wurde zwangsversteigert.

Belfort war erste Wahl, weil diese Stadt mit 50‘000 Einwohnern in der Grösse von Lugano über einen Bahnhof mit guter Verbindung nach Basel verfügt. Der ausgemachte Besichtigungstreffpunkt befand sich allerdings nördlich der Stadt auf dem Flugplatz Sermamagny, sodass wir auf den Fahrdienst eines meiner Verlagsautoren angewiesen waren. Er sollte noch eine wichtige Rolle bei der Überbrückungsfinanzierung zwischen Kauf in Frankreich und Verkauf in Lugano-Castagnola spielen. Wie schon unser Verkäufer des Tesssinerhauses war er ein älterer Zahnarzt, der rechtzeitig zur umstrittenen „Diamantfeier“ seine Erinnerungen an den Aktivdienst in satirischer Form in meinem Satyr-Verlag veröffentlicht hatte.

So fuhren wir also am 21. Juli 1989 voller Spannung der Besichtigung der ausgewählten Immobilien entgegen. Schon in die erste verliebten wir uns Knall auf Fall – wie ehedem im Tessin.